Sie sind hier: Goethe-Genealogie.de » Nachkommen » Direkte Nachkommen |
|
Aus Goethes Berichten und Briefen der Jahre 1823 und 1824
|
zusammengestellt von Arndt Richter |
14. August 1823: Philipp Witkop:
Goethe – Leben und Werk, 1931: „Die Leidenschaft bringt Leiden! – Wer beschwichtigt „Da schwebt hervor Musik mit Engelsschwingen, In der tragischen Hilfslosigkeit dieses Kampfes, in der Furcht vor der unausweichlichen Verarmung seines Seins, keimt der wahnsinnige Entschluß in Goethe, seine vierundsiebzig Jahre Ulrikens neunzehn Jahren zu verbinden, sie zum Weibe zu nehmen.Der Großherzog Karl August fragt bei Frau von Levetzow für ihn an; er geht von Karlsbad fort mit der unruhigen Hoffnung auf Ulrikens Jawort. Über drei Monate wühlt die grausame, die fast vernichtende Krisis in ihm. Ehrfürchtig, erschüttert schauen die Weimarer Freunde zu: „Wie schmerzlich ist es doch,“ schreibt der Kanzler von Müller, „solch eines Mannes innere Zerrissenheit zu gewahren, zu sehen, wie das verlorene Gleichgewicht seiner Seele sich durch keine Wissenschaft, keine Kunst wiederherstellen läßt, ohne die gewaltigsten Kämpfe, und wie die reichsten Lebenserfahrungen, die hellste Würdigung der Weltverhältnisse ihn davor nicht schützen konnten.“ |
17. August 1823: Erich Trunz: Goethe
– Gedichte, 1996: „Und so das Herz erleichtert merkt behende, |
8. Sept. 1823: Brief aus Eger an Chr.
Lud. Frdr. Schultz (1781-1834): |
2. Okt. 1823: Bericht von Friedrich von Müller, Kanzler (1779-1849): von 5-11 Uhr bei Goethe: „ … Dadurch fiel bald das Gespräch auf seine Geselligkeit überhaupt und ich sprach sehr offen über die desfälligen Wünsche seiner Freunde und der Fürstlichkeiten. … Schultz spielte, Ottilie sang, Soret kam, Goethe mineralogisierte mit ihm lange und sprach nachher sehr poetisch darüber. … Bald ließ er mich wieder allein zu ihm in die Ecke des blauen Zimmers setzen und knüpfte das Gespräch über Organisation seiner Wintergeselligkeit wieder an. Seht, wenn es mir wieder wohl unter Euch werden soll diesen Winter, so darf es nicht an munterer Gesellschaft, nicht an heiteren Anregungen fehlen, nachdem ich zu Marienbad deren in so reicher Fülle empfunden habe. Sollte es nicht möglich sein, daß eine für allemal erbetene Gesellschaft sich täglich, bald in größerer, bald in kleinerer Zahl, in meinem Hause zusammenfände? Jeder käme und bliebe nach Belieben, könnte nach Herzenslust Gäste mitbringen. Die Zimmer sollten von 7 Uhr immer geöffnet und erleuchtet, Tee und Zubehör reichlich bereit sein. Man triebe Musik, spielte, läse vor, schwatzte, alles nach Neigung und Gutfinden. Ich selbst erschiene und verschwände wieder, wie der Geist es mir eingäbe. Und bliebe ich auch mitunter ganz weg, so dürfte dies keine Störung machen. Es kommt nur darauf an, daß eine unserer angesehensten Frauen, gleichsam als Patronin dieses geselligen Vereins aufträte und niemand würde sich besser dazu eignen, als Frau von Fritsch. An Ottilie und Ulrike [hier Schwester Ottilies!] gebe ich Freibriefe für ihre Theaterluft, sie könnten dableiben oder hingehen, das änderte nichts. So wäre denn ein ewiger Tee organisiert, wie die ewige Lampe in gewissen Kapellen brennt. Helft mir, ich bitte Euch, diese vorläufigen Ideen und Pläne fördern und ausbilden. … Hierauf erfolgte vertraulichste Mitteilung seiner Verhältnisse zu Levetzows. Es ist eben ein Hang, der mir noch viel zu schaffen machen wird. Aber ich werde darüber hinauskommen. Iffland könnte ein charmantes Stück daraus fertigen, ein alter Onkel, der seine junge Nichte allzuheftig liebt. …“ in: Flodoard Frhr. von Biedermann: Goethes Gespräche, Gesamtausgabe, 2. Auflage, 3. Band, Leipzig 1910, Nr. [2160] |
Dienstag den 14. Oktober 1823:
Gespräch mit Johann Peter Eckermann (1792-1854) https://de.wikipedia.org/wiki/Aldobrandinische_Hochzeit „Ja,“ sagte Goethe, „die Alten hatten nicht allein große Intentionen, sondern es kam bei ihnen auch zur Erscheinung. Dagegen haben wir Neueren auch wohl große Intentionen, allein wir sind selten fähig, es so kräftig und lebensfrisch hervorzubringen, als wir es uns dachten.“ Nun kam auch Riemer und Meyer, auch der Kanzler v. Müller und mehrere andere angesehene Herren und Damen vom Hofe. Auch Goethes Sohn trat herein und Frau von Goethe, deren Bekanntschaft ich hier zuerst machte. Die Zimmer füllten sich nach und nach und es ward in allen sehr munter und lebendig. Auch einige hübsche junge Ausländer waren gegenwärtig, mit denen Goethe französisch sprach. Die Gesellschaft gefiel mir, es war alles so frei und ungezwungen, man stand, man saß, man scherzte, man lachte und sprach mit diesem und jenem, alles nach freier Neigung. Ich sprach mit dem jungen Goethe sehr lebendig über das Bild von Houwald, welches vor einigen Tagen gegeben worden. Wir waren über das Stück einer Meinung und ich freute mich, wie der junge Goethe die Verhältnisse mit so vielem Geist und Feuer auseinander zu setzen wußte. Goethe selbst erschien in der Gesellschaft sehr liebenswürdig. Er ging bald zu diesem und zu jenem und schien immer lieber zu hören und seine Gäste reden zu lassen, als selber viel zu reden. Frau von Goethe kam oft und hängte und schmiegte sich an ihn und küßte ihn. Ich hatte ihm vor kurzem gesagt, daß mir das Theater so große Freude mache und daß es mich sehr aufheitere, indem ich mich bloß dem Eindruck der Stücke hingebe, ohne darüber viel zu denken. Dies schien ihm recht und für meinen gegenwärtigen Zustand passend zu sein. Er trat mit Frau Goethe zu mir heran. „Das ist meine Schwiegertochter“, sagte er; „kennt Ihr beiden Euch schon?“ Wir sagten ihm, daß wir soeben unsere Bekanntschaft gemacht. „Das ist auch so ein Theaterkind wie Du, Ottilie,“ sagte er dann, und wir freuten uns miteinander über unsere beidseitige Neigung. „Meine Tochter“, fügte er hinzu, „versäumt keinen Abend.“ So lange gute heitere Stücke gegeben werden, erwiderte ich, lasse ich es gelten, allein bei schlechten Stücken muß man auch etwas aushalten. „Das ist eben recht,“ erwiderte Goethe, „daß man nicht fort kann und gezwungen ist, auch das Schlechte zu hören und zu sehen. Da wird man recht von Haß gegen das Schlechte durchdrungen und kommt dadurch zu einer desto besseren Einsicht des Guten. Beim Lesen ist das nicht so, da wirft man das Buch aus den Händen, wenn es einem nicht gefällt, aber im Theater muß man aushalten.“ Ich gab ihm recht und dachte, der Alte sagt doch gelegentlich immer etwas Gutes. Wir trennten uns und mischten uns unter die übrigen, die
sich um uns herum und in diesem und jenem Zimmer laut und lustig
unterhielten. Goethe begab sich zu den Damen; ich gesellte mich zu Riemer
und Meyer, die uns viel von Italien erzählten. Regierungsrat Schmidt setzte
sich später zum Flügel und trug Beethovensche Sachen vor, welche die
Anwesenden mit innigem Anteil aufzunehmen schienen. Eine geistreiche Dame
erzählte darauf viel Interessantes von Beethovens Persönlichkeit. Und so
ward es nach und nach zehn Uhr, und es war mir der Abend im hohen Grade
angenehm vergangen. in: Eckermann – Gespräche mit
Goethe, besorgt von Dr. Hans Timotheus Kroeber, |
vom 24. Oktober bis 5. November 1823: Madame Maria
Szymanowska in Weimar „Noch einmal nimmt die wesensfremde Welt der Musik ihn tröstend auf: vom 24. Oktober bis zum 5. November weilt Madame Szymanowska in Weimar. Im täglichen Beisammensein spürt er die erlösende, entrückende Macht ihres seelenvollen Spiels. In Nacht auf den Abschied, der voll tiefsten Schmerzes, voll hilfloser Tränen, voll langer sprachloser Nachschau ist, überfällt ihn eine schwere, fünf Wochen währende Krankheit und zieht auch seinen Körper in die tragische Krisis ein. Vierzehn Nächte, vom 18. November bis zum 1. Dezember, muß Goethe vor Krampfhusten im Sessel zubringen. Die Tragik des Konfliktes scheint ihn zu zerbrechen. ‚Die weimarischen Ärzte erwarten Goethes Tod‘ . Am 24. November kommt Zelter nach Weimar und findet in Goethe ‚einen, der aussieht, als hätte er Liebe, die ganze Liebe mit aller Qual der Jugend im Leibe‘.“ Dazu vorher zunächst Kanzler Friedrich von Müller mit Aussagen von Madame Szymanowska:
|
5. November 1823: „Als ich nachmittags zu Goethe kam, traf ich ihn noch mit Madame Szymanowska zu Tisch sitzend; sie hatte eben an die ganze Familie bis zu dem kleinen Wolf herab, ihrem Liebling, die zierlichsten kleinen Abschiedsgeschenke, zum Teil eigner Hände Arbeit, ausgeteilt, und der alte Herr war in der wunderbarsten Stimmung. Er wollte heiter und humoristisch sein, und überall blickte der tiefste Schmerz des Abschieds durch. Unentschiedenes Hin- und Herziehen nach Tische, Verschwinden, Wiederkommen; Goethes Abschiedsschmerz. Einzeichnen in das Stammbuch der Casimira Wolowska*). Rappelez moi au souvenir de tout le monde, moi aussi, je Demanderai á tout le monde des nouvelles de vous. Um 5 Uhr war sie zur Abschiedsaudienz bei der Frau Großfürstin bestellt, wo sie, der Hoftrauer entsprechend, ganz schwarz gekleidet, was für Goethe den Eindruck noch erhöhte. Der Wagen fuhr vor und ohne daß er es merkte, war sie verschwunden. Es schien zweifelhaft, ob sie noch einmal wiederkäme. Da trat das Menschliche in Goethe recht unverhüllt hervor; er bat mich aufs dringendste zu bewirken, daß sie nochmals wieder erscheinen, nicht ohne Abschied scheiden möchte. Einige Stunden später führten der Sohn und ich sie und ihre Schwester zu ihm. Ich scheide reich und getröstet von Ihnen, - sagte sie zu ihm, - Sie haben mir den Glauben an mich selbst bestätigt, ich fühle mich besser und würdiger, da Sie mich achten. Nichts von Abschied, nichts von Dank; lassen Sie uns vom Wiedersehen träumen. Oh, daß ich doch schon viel älter wäre und hätte einen Enkel bald zu hoffen, er müßte Wolf heißen, und das erste Wort, das ich ihn stammeln lehrte, wäre Ihr teurer Name. Comment, erwiderte Goethe, vos compatriotes ont eu tant de peine á chasser les loups de chez eux, et vous voulez les y reconduire? Aber alle Anstrengung des Humors half nicht aus, die hervorbrechenden Tränen zurückzuhalten , sprachlos schloß er sie und ihre Schwester in seine Arme und sein Blick begleitete sie noch lange, als sie durch die lange offene Reihe der Gemächer entschwunden war. Dieser holden Frau habe ich viel zu danken, sagte er mir später, ihre Bekanntschaft und ihr wundervolles Talent haben mich zuerst mir selbst wiedergegeben. aus: Flodoard Frhr. von Biedermann:
Goethes Gespräche, Gesamtausgabe, 2. Auflage, |
24. November, - Bericht von Carl
Friedrich Zelter bei seinem Besuch bei Goethe in Weimar: Schon zweimal hatte ich den Freund in ähnlichem, dem Tode nahen Zustand angetroffen, und ihn unter meinen Augen gleichsam wieder aufleben sehen. Diesmal, seine Genesung sozusagen befehlend, sah ich ihn von Stund an, zur Verwunderung der Ärzte so schnell sich erheben, daß ich ihn in der Mitte des Dezembers in völliger Munterkeit verlassen durfte. [Nach Goethes Tagebuch verweilte Zelter vom 24. November bis 13. Dezember in Weimar]. aus: Flodoard Frhr. von Biedermann:
Goethes Gespräche, Gesamtausgabe, 2. Auflage,
|
1. Dezember 1823: Gespräch mit Johann Peter Eckermann: „Ein Stündchen bei Goethe in allerlei Gesprächen. Dann
kamen wir auch auf Soret. .... |
2. Januar 1824: Gespräch mit Johann
Peter Eckermann: „Pah!“ sagte Goethe lachend, „als ob die Liebe etwas mit Verstande zu tun hätte! Wir lieben an einem jungen Frauenzimmer ganz andere Dinge als den Verstand. Wir lieben an ihr das Schöne, das Jugendliche, das Neckische, das Zutrauliche, den Charakter, ihre Fehler, ihre Kapricen und Gott weiß, was alles Unaussprechliche sonst; aber wir lieben nicht ihren Verstand. Ihren Verstand achten wir, wenn er glänzend ist, und ein Mädchen kann dadurch in unseren Augen unendlich an Wert gewinnen. Auch mag der Verstand gut sein, uns zu fesseln, wenn wir bereits lieben. Allein der Verstand ist nicht dasjenige, was fähig wäre, uns zu entzünden und eine Leidenschaft zu erwecken.“ Man fand an Goethes Worten viel Wahres und Überzeugendes
und war sehr bereit, den Gegenstand ebenfalls von dieser Seite zu
betrachten.“ |
9. Januar 1824: aus Goethes Brief an Zelter: „ […] Daß du mir die Mitteilung des Gedichtes [der Marienbader Elegie] durch innige Teilnahme so treulich wiedergabst, war eigentlich nur eine Wiederholung dessen, was du durch deine Komposition mir so lange her verleihest; aber es war doch eigen, daß du lesen und wieder lesen mochtest, mir durch dein gefühlvolles sanftes Organ mehrmals vernehmen ließest, was mir in einem Grade lieb ist, den ich mir selbst nicht gestehen mag, und was mir denn doch jetzt noch mehr angehört, da ich fühle, daß du dir’s eigen gemacht hast. Ich darf es nicht aus den Händen geben, aber lebten wir zusammen, so müßtest du mir’s so lange vorlesen und vorsingen, bis du’s auswendig könntest. […] Ich muß mir aber selbst sagen, daß ich mich auch früher, d. h. gleich nach meiner diesmaligen Rückkunft , hätte schonen sollen und mich jetzt zu schonen habe; denn die große Erregbarkeit, die sich schon in Böhmen, wie du weißt, an der Musik manifestierte, ist’s doch eigentlich, die mir Gefahr bringt; ob ich ihr gleich nicht feind sein kann, da ich ihr denn doch eigentlich jenes Gedicht verdanke, an dem Gefühl und Einbildungskraft von Zeit zu Zeit sich so gern wieder anfrischt. […]“ aus: Goethes Leben in seinen Briefen,
Berlin u. Hamburg 1949, herausgegeben von Julius Bab, in zwei Bänden, 2.
Band, Seite. 397/398. |
|
*) Casimira Wolowska:
Maria, früh ein musikalisches Wunderkind, hatte einen Herrn Szymanowski aus der gleichen Sekte geheiratet; aus dieser Verbindung ging eine Tochter hervor, die dann die Frau des Dichters Mickiewicz wurde. Maria ließ sich bald scheiden und begann in Begleitung ihrer Schwester ihre großen europäischen Tourneen, die zu einem Triumphzug wurden, nicht zuletzt durch ihre Persönlichkeit und ihren Charme. […] Goethe genießt den Umgang, die Bewunderung des anmutigen Wesens. Das ist kein Töchterchen, sondern eine Frau, eine sehr berühmte obendrein, eine sehr elegante, eine Frau von Welt und eine große Musikerin.“ |
|
Goethe-Genealogie |