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Ahnentafel
Johann Wolfgang Goethes
nach Carl Knetsch

(Ahnentafeln berühmter Deutscher neue Folge 1,
Zentralstelle f. Dt. Personen- u. Familiengeschichte, Leipzig 1932)

Einleitung

Goethes Ahnen entstammen in der Hauptsache drei deutschen Stämmen, den Thüringern, den Franken und den Hessen. Aus der gesegneten Goldenen Aue stammt die eigentliche Goethesche Sippe. Ihr Name kommt schon früher in den Ortschaften der thüringischen Landschaft innerhalb eines Kreises vor, an dessen Peripherie sich die Städtchen Kelbra, Sondershausen, Kindelbrück und Artern befinden. – Nach dem jetzt Württembergischen Ländchen Hohenlohe ins Herz von Ostfranken und nach Crailsheim führen durch die Familien Textor und Walther zahlreiche Fäden zurück. Ins Hessische, zumal nach Oberhessen, dem Lande an der Lahn, und in die Wetterau, der wir die alte Rheinfränkische Hauptstadt Frankfurt angliedern, weisen die Ahnen der mütterlichen Großmutter Goethes Anna Margaretha Lindheimer. Von Goethes Urgroßeltern gehören zwei nach Thüringen, drei entstammen den Hohenloheschen Landen, zwei sind Frankfurter und einer Hesse; nehmen wir die Reihe der zweiunddreißig Ahnen, so können mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit zehn der Urururgroßeltern für Thüringen in Anspruch genommen werden, für weitere zehn läßt sich der Ostfränkische Ursprung nachweisen, vier stammen aus Hessen, drei aus der Wetterau und fünf aus der Reichsstadt Frankfurt. Fassen wir die Hessen, Wetterauer und Frankfurter, die ja sehr viele Beziehungen zueinander haben, zusammen, so kommt wieder die Dreiteilung heraus. Die größere Intelligenz innerhalb dieser drei Gruppen scheint auf die fränkischen und hessischen Ahnen Goethes zurückzugehen. Soweit man sehen kann, beruht der Goethe, wie er unsterblich bleiben wird, auf dem Blut des Ehepaares Textor-Lindheimer, der Eltern seiner Mutter. Die Textor ein Geschlecht, das durch eine gleichartige, der Höhe der Bildung der Zeit entsprechende Ausbildung der männlichen Vertreter eine Reihe von Generationen hindurch und durch die mit den Töchtern aus gleichartigen und gleichwertigen Familien (Priester, Enslin) geschlossenen Ehen einen bestimmten Charakter von hoher Intelligenz, Kultur und Bildung erhielt; die Lindheimer, deren nicht übermäßige geistige Höhe durch die Ehe von Goethes Urgroßvater, dem aus einer alten Frankfurter Metzgerfamilie stammenden Dr. jur. Cornelius Lindheimer, mit Elisabeth Catharina Seip aus Marburg ganz besonders gesteigert wurde. Denn das Erbgut, das diese Frau sowohl vom Vater wie von der Mutter her ihren Nachkommen übermachte, war außergewöhnlich wertvoll und schwerwiegend. Die Seip und die Steuber wie die Scheibler und Lyncker, die Kornmann und die Zöllner und Lucanus bringen einen solchen Zufluß gleichmäßigen guten Blutes, daß man unbedenklich dieser Seite den größten Einfluß auf die Entstehung des größten deutschen Dichters zuerkennen darf. Auf alle weiteren Ahnen von Seipscher Seite kann ich hier nicht eingehen. Hervorzuheben ist aber die durch die Großmutter der Elisabeth Catharina Seip bewirkte Verbindung mit der hervorragenden Gelehrtenfamilie der Schröter aus Weimar und die dadurch vermittelte Abstammung von dem hochbedeutenden kursächsischen Geschlecht der Brück oder Pontanus und von dem Franken Lucas Cranach dem Älteren, und die auf dem Wege über ihre Mutter Elisabeth Catharina geb. Steuber gehende Abstammung von der Familie Orth in Marburg, die nicht weniger als dreimal auf Goethes Ahnentafel erscheint, einem der blutkräftigsten Geschlechter Hessens, das sich auf den Ahnentafeln von halb Hessen findet, einem Geschlecht, das eine außergewöhnlich große Menge von Gelehrten und bedeutenden Männern hervorgebracht hat. Für die ältere Zeit charakteristisch und sehr wertvoll ist unter den Seipschen Ahnen das Zusammenströmen des Blutes aus all den geschlossenen und einheitlichen Patriziergeschlechtern der hessischen Städte Marburg, Frankenberg, Wetter, Kirchhain, Amöneburg, Grünberg, Alsfeld, Münzenberg, Hersfeld, Fulda und Gelnhausen; daraus hebe ich die dreimal erscheinenden Imhof (Im Hobe) in Marburg, die von Sassen aus Grünberg, die Rotzmul aus Fulda bzw. Alsfeld, die Schaufuß aus Alsfeld hervor. – Neben dieser Gruppe der städtischen Schöffengeschlechter tritt eine gleichbreite des oberhessischen und wetterauischen niederen Adels, aus dem die mittelalterlichen Schöffengeschlechter vielfach hervorgegangen sind und mit dem sie, was ständegeschichtlich sehr bemerkenswert ist, eigentlich dauernd im Connubium gestanden haben. – Endlich ist noch auf das hinzuweisen, was in einer weitzurückgeführten Ahnentafel selten zu fehlen pflegt, auf die dynastische Abstammung. In unserem Falle wird sie dadurch vermittelt, daß der hessische Rentmeister Ludwig Orth in Marburg am Ende des 15. Jahrhunderts eine natürliche Tochter Landgraf Heinrichs III. von Hessen geheiratet hat. Das Haus Brabant oder Hessen bringt natürlich die Verbindung mit allen Herrengeschlechtern des Mittelalters, mit Karl dem Großen und der Heiligen Elisabeth, mit Ludwig dem Bayern und so manchen anderen berühmten Fürsten und Helden des Mittelalters. Ich habe mich begnügt, die Ahnen Landgraf Heinrichs (+ 1483) vollständig nur bis zur Reihe der zweiunddreißig Ahnen, unter denen wir u. a. die Fürsten- und Grafenhäuser von Anhalt, Bayern, Brandenburg, Braunschweig, Henneberg, Hessen, Mecklenburg, Meißen, Österreich, Pommern und Schlesien finden, weiterzuführen und bei den höheren Generationen nur die Ehepaare der Brabanter in der direkten Stammlinie bis zum Grafen Giselbert im Maasgau, dessen Gemahlin eine Karolingerin, die Urenkelin Karls des Großen, war, zu nennen.

Goethe stammte von deutschen Fürsten ab wie von deutschen Bauern, von deutschen Gelehrten wie von Künstlern und Handwerkern, von deutschen Adelsgeschlechtern wie von Ratsfamilien der deutschen Städte. Wir alle können ihn als Bruder ansehen, auf den wir stolz sein können, er war ein Deutscher!

Seit 1908, als ich mein Buch "Goethes Ahnen" herausgegeben habe, ist soviel an neuem Material zutage gekommen, daß die Goethesche Ahnentafel, wie sie hier in völlig neuer Bearbeitung dargeboten wird, an vielen Stellen sehr stark vermehrt, an manchen erheblich verändert erscheint. So haben, abgesehen von einer Reihe kleinerer Verbesserungen, durch die Ergebnisse der Forschungen von Hummel und Majer-Leonhard die Nachrichten über die Crailsheimer Familie Köhler (102 und 103) Änderungen erfahren müssen, die Verbesserungen in der Genealogie der Windecker (116) gehen im wesentlichen auf G. von Jordans Arbeiten zurück, die Änderungen bei Scheibler (253) habe ich schon vor Jahren bekannt gegeben. Die Abstammung von Bissigel (7954) scheint jetzt völlig klargestellt zu sein; an anderen Stellen ist eine absolute Sicherheit aber vorläufig nicht zu erlangen. Ganz verschwinden mußten von der Tafel nach genauer Nachprüfung die Familien von Ehringshausen (früher 31825) und Knoblauch (früher 3979). Auch die Filiation der von Twern konnte, wie ich bereits vor siebzehn Jahren in der Hessischen Chronik mitgeteilt habe, auf Grund reicher, inzwischen neu zutage gekommener urkundlicher Unterlagen in richtigere Form gebracht werden. Schließlich hat sich der Teil, der sich auf 2015 aufbaut, dadurch von Grund aus geändert, daß an die Stelle von Ludwig Orths zweiter Frau Catharina von Sassen eine erste Frau Cuntzel, die natürliche Tochter Landgraf Heinrichs III. von Hessen zu Marburg, einzusetzen war. Daß in erster Linie in dem Marburger Staatsarchiv in weitestem Maße und, wie man sieht, auch mit dem größten Erfolg Nachforschungen angestellt werden konnten, ist mit dem Wohnsitz und dem Beruf des Bearbeiters zu erklären. Die Kenntnis der Hessischen Ahnen Goethes ist dadurch bedeutend gefördert worden. Die unzähligen einzelnen Quellenstellen hier anzugeben, ist natürlich nicht möglich.


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letzte Änderung: 14. Oktober 2009, © ungerweb